Am 11. November 2022 fand der Workshop I zum Thema „Chipdesign für KMU und Industrie ermöglichen und beschleunigen“ mit über 100 Teilnehmenden aus Forschung und Industrie statt. In zwei spannenden Impulsvorträgen wurde das Thema Chipdesign, konkret der Zugang zu Designtools, Fertigung und IP, sowie Einblicke in aktuelle Hürden, aber auch individuelle Erfahrung zum Thema Chipdesign aus der Perspektive eines KMU und einer Foundry dargestellt. Für die Impulsvorträge konnte das BMBF Herrn Holger Eisenreich von der Racyics GmbH in Dresden und Herrn Dr. Gabriel Kittler von der X-FAB Semiconductor Foundries GmbH in Erfurt gewinnen. Die Impulsvorträge von Herrn Eisenreich und Herrn Dr. Kittler können auf Anfrage übermittelt werden.
Darüber hinaus wurden in vier ausgewählten Fachsessions mit dem Fokus auf Potenzial von eigenen ASICs, Zugang zu Designumgebung und Fertigung, OpenSource/OpenPDK sowie Talente und Fachkräfte aktuelle Forschungsbedarfe und Herausforderungen im Kontext des Chipdesigns von Start-ups, Mittelstand und Industrie diskutiert. Die wissenschaftlich-technischen Diskussionen wurden anhand von Leitfragen motiviert und von externen Fachexperten geleitet. Nachfolgend sind die Kernaussagen aus den vier Fachsessions zusammenfassend dargestellt; dabei wird nicht der Anspruch auf Vollständigkeit erhoben.
Weitere Workshops
Der zweite Workshop ist als nicht-öffentliche Veranstaltung geplant und findet am 15.02.2023 im BMBF in Bonn statt. Externe Teilnehmende sind geladene Akteure, die im Herbst 2022 einen schriftlichen Beitrag zum Netzwerk als Antwort auf das Impulspapier eingereicht haben. Der Fokus dieser Veranstaltung liegt auf der Erarbeitung einer gemeinsamen Basis zur strukturellen Ausgestaltung des Netzwerks.
Der dritte Workshop findet am 14. Juni 2023 als öffentliche Informationsveranstaltung zur nationalen Bekanntmachung und Partnering-Event statt. Nähere Informationen dazu finden Sie zeitnah auf dieser Seite.
Kernaussagen der Fachsessions vom 11.11.2022
Moderation: Dr. Heiner Flocke (iC-Haus)
1.1 Bieten eigene ASICs Vorteile?
- eigene ASICs sind ein Alleinstellungsmerkmal
- ASICs sind technisch fast immer sinnvoll; ob kommerziell sinnvoll, ist nicht trivial zu beantworten
- eigener ASIC basiert auf eigenem IP --> Grundlage für Business-Case
- mit kleineren Knoten sinkt die Anzahl möglicher Business-Cases, da der Designaufwand sehr aufwändig, die Stückzahlen tendenziell groß und der Zugang teuer sind
1.2 Welche Herausforderungen und Hürden bestehen aktuell insbesondere für KMU und MU beim Chipdesign?
- Potenzial bei Analog/Mixed-signal-Design, etc. hoch, da nicht jedes Jahr auf einen neuen Prozessknoten gesetzt werden muss
- ASICs lohnen sich insbesondere, wenn das ASIC über lange Zeit verkauft werden kann
- Aufbau einer eigenen (Design)-Infrastruktur muss mit der Analyse von Business Cases beginnen
- kleine Stückzahlen sind kritisch, Halbleitermangel macht FPGAs und µController schwer verfügbar
1.3 Welche Technologien sind von besonderer Bedeutung (z.B. HF, analog/mixed-signal, Power, Integrationsgrad, u.a.)?
- Es sind alle aufgezählten Technologien relevant
- Chiplets als Chance
- Verbindung von kleinen und großen Knoten
- höhere Stückzahlen
- standardisierte Interfaces
- Markplatz für Chiplets
- Arbeitsteilung
- Herausforderungen beim Chiplet-Ansatz sind Co-Design, Advanced Packaging, etc.; Chiplet-Ansatz könnte aber ein Schlüssel für Europa sein
- Bislang gibt es keinen kommerziellen Anbieter von vielseitig einsetzbaren komplexen Packaging-Lösungen, wie z.B. der Chiplet Technologie
- in Deutschland/Europa fehlt ein Weg, um in die fortschrittlichen Knoten zu kommen
- Zugang zu kleinen Knoten ist selbst für Großunternehmen eine große Herausforderung
- KMU können kleine Knoten nicht erschließen
- Wenn in Deutschland/Europa keine Computerchips gebaut werden, werden die USA und China nicht nur die Chips, sondern auch die zugehörigen Ökosysteme (Software, etc.) bestimmen
- Die große Schwierigkeit besteht darin, große Business-Cases zu generieren um in großen Stückzahlen Chips zu vermarkten
1.4 Brauchen wir insbesondere für KMU ein Ökosystem, welches Chipdesign durch die Bereitstellung wichtiger Komponenten (IP-Blöcke, EDA-Tools, Design-Flows, Zugang zu Herstellern) wesentlich vereinfacht?
- Wer stellt Chips in kleinen Stückzahlen her?
- Wer betreibt Packaging in Europa?
- Zugang zu Pilotlinien vereinfachen
- KMU brauchen evtl. schon Chips in kleinen Knoten, können diese aber nicht selbst designen
Moderation: Professor Dr.-Ing. Georg Sigl (TU München)
2.1 Gibt es einen Fachkräftemangel? In welchen Bereichen des Chip-Design ist der Fachkräftemangel besonders ausgeprägt?
- Fachkräftemangel ist groß
- geschätzter Bedarf bis 2030: etwa 50.000 Chipdesignerinnen/-designer, sowohl in den Bereichen Analog- als auch Digitaldesign
- zur Deckung des Bedarfs ist eine 10-fach höhere Absolventenzahl notwendig
- Verweis auf VDE-Studie Arbeitsmarkt 2022 – Elektroingenieurinnen und Elektroingenieure: Lücke fehlender E-Ingenieure wächst um 10.000 pro Jahr
- möglicher Ansatz: Informatiker zu hardware-nahen Software-Arbeit aus- und weiterbilden
2.2 Worin liegen die Ursachen für den Fachkräftemangel?
- grundsätzlich Rückgang der Studierendenzahlen
- Hardwareentwicklung ist weniger präsent als Softwareentwicklung
- geringe Anzahl an Professuren im Bereich Chipdesign
- hohe Eintrittsbarriere (Kosten, NDAs) für die Ausbildung von Studierenden im Chipdesign im Vergleich zu anderen Teildisziplinen der Elektrotechnik; vor allem NDAs bei PDKs behindert Transfer von Anwendungen in die Lehre
2.3 Wie kann man Nachwuchs für Chip-Design begeistern? Welche technischen und wirtschaftlichen Anreize sind notwendig?
- Motivation und Anreize müssen bereits in der Schulzeit ansetzen und wirken
- (mehr) Vorbilder für Frauen in technischen Berufen bereits während des Studiums
- breit angelegte Imagekampagnen für Mikroelektronik und speziell Chipdesign zur erhöhten Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit (über die regionalen Aktionen hinaus)
- Änderung von Narrativen, da sich Studierende nicht unbedingt für Studiengänge, sondern für Themen interessieren (z.B. Bezeichnung der E-Technik-Studiengänge bzw. Vertiefungen ändern mit Fokus auf smarten Themen wie Nachhaltigkeit, Erneuerbare Energien, etc.)
Moderation: Dr. Ferdinand Bell (NXP Semiconductors Germany GmbH)
3.1 Ist ein ausreichend niederschwelliger Zugang zu Designtools, IP und Foundries gegeben? (aus der Perspektive von KMU, GU und HS/FE)
- Grundsätzlich bekommen Universitäten recht gut Zugang zu Technologien; modernste Technologien sind aber schwer oder gar nicht zugänglich
- Schwierigkeit bei der Einbindung von PDKs in Designtools: Bspw. unterschiedliche Namenskonventionen – hier sollte Standardisierung ansetzen
3.2 Worin bestehen aktuell die Hürden?
- IP-Kosten für Unis nicht finanzierbar, manchmal höher als die Fertigungskosten
- Unterstützung durch Europractice nicht immer gegeben
- Fehlendes institutionelles Wissen – fehlender Mittelbau an Universitäten
- Es fehlen die Anwendungen mit wirtschaftlichen Stückzahlen, wo aber die großen Player nicht den Markt beherrschen -> Chancen für beispielsweise Edge AI in Europa
- Designkompetenz/-kapazität fehlt bei KMUs/Start-Ups, kaum Unterstützung vorhanden
3.3 Welche Lösungsansätze hätten die größte Hebelwirkung?
- Standardisierung bei den Schnittstellen (EDA-Tools/PDKs) kann an mehreren Stellen erhebliche Verbesserungen erbringen – dagegen stehen aber klar die Eigeninteressen der Foundries und der EDA-Softwareanbieter
- Designkompetenzzentren könnten nachhaltig Kompetenzen und Ressourcen bündeln
- Europractice ist für Forschungseinrichtungen und Hochschulen ein sehr guter Zugangspunkt: Ausbau zu einer permanenten Einrichtung ist wünschenswert
3.4 Welche Probleme gibt es aktuell mit IP? (Vertrauenswürdigkeit, Testbarkeit, Skalierbarkeit)
- Der wirkliche Aufwand der IP-Entwicklung wird weiterhin massiv untergeschätzt; Validierung und Aufbau der Prozesse gehören hier dazu und rechtfertigen meist die Kosten für IP
Moderation: Professor Dr. Stefan Wallentowitz (Hochschule München)
4.1 Wo liegt das Problem mit closed-source Lösungen?
- eklatante Abhängigkeiten von US-Anbietern verbunden mit sehr großen finanziellen Aufwänden
- Hürde ist vor allem ein niederschwelliges Angebot für EDA-Tools
- durch ClosedSource-Lösungen weniger Zulauf und Intransparenz
- Technologiesouveränität in Europa nur möglich mit OpenSource-EDA-Werkzeugen
- OpenSource-Ansätze (EDA/PDKs) sind vorteilhaft für die Ausbildung und Lehre, ein Zulauf im Chipdesign ist klar erkennbar, Verbesserung des akademischen Austauschs und der Erhöhung der Sichtbarkeit auf internationalen Fachkonferenzen
- Zusammenführung und Kombination von ClosedSource und OpenSource-Werkzeugen wünschenswert
- leistungsfähige OpenSource-Toolchain für fortschrittliche Knoten nicht realistisch
4.2 Inwiefern sind OpenSource/OpenPDK Lösungen attraktiv für KMU, GU, FE/HS, Foundries?
- OpenSource-Werkzeuge als Anreiz für Schüler/Studierende, um Fachkräftemangel entgegenzuwirken
- darüber hinaus auch Ausbildung mit den industrierelevanten (ClosedSource)-Tools
- Umstieg zwischen OpenSource-/ClosedSource-Tools wird als gar nicht so schwierig eingeschätzt
- OpenSource-EDA-Flows fördern Innovation im Chip Design-Bereich, Grundlagen des Designflows sind wichtiger als die spezifischen Tools
4.3 Welche Vorteile bieten offene Designtools hinsichtlich Workflow, Verifikation und Testing?
- offene Designwerkzeuge werden bereits eingesetzt, z.B. im Platinendesign
- zunehmend interaktive Tools mit Teilautomatisierung, weitere Automatisierung ist wichtig
- Schwierigkeit bei Tools für kleine Knoten besteht in der zunehmenden Komplexität im Systemdesign / Co-Design
- Design der Tools für kleine Knoten muss zügig erfolgen, um kurze Produktionszeiten zu realisieren; Förderung von OpenSource ist wichtig, aber bei kleinen Knoten sind die Designer/Entwickler an die kommerziellen (ClosedSource) Tools gebunden
- Vorteile von OpenSource und ClosedSource sind langfristig wichtig, parallele Entwicklung sinnvoll
- Gefahr besteht, dass OpenSource-Werkzeuge repliziert werden, obwohl sie am Markt schon verfügbar sind
4.4 Welche Vorteile bietet offenes IP in Bezug auf Sicherheit, Testing, Wiederverwertbarkeit?
- Beispiel Analogdesign: Wiederverwendung von alten Designs oder Notwendigkeit ständig neuer Designs für individuelle Anwendungen, vorhandenes IP muss immer noch angepasst werden – quelloffenes und modulares IP bietet hier großes Potenzial für Wertschöpfung und Effizienz
- Hardware-nahe IP ist typischerweise an Foundry und dazugehöriges Ökosystem gebunden
- technologische Souveränität verlangt nach vollständiger Toolchain
- Vereinen von EDA und Design würde langfristig zu Effizienzsteigerungen bei vergleichsweise geringen Aufwänden (Kosten, Ressourcen) führen
Weiterführende Informationen
Vortrag im Workshop I: Chipdesign für KMU und Industrie ermöglichen und beschleunigen (PDF)